Guter Ausspracheunterricht?

udtale.de Aussprache im Unterricht

 Das Wichtigste

Guten Ausspracheunterricht erkennt man daran, dass er wirkt. Oft ist aber nicht klar, welche Ansätze sich dafür aus Sicht der Forschung anbieten und wie sie sich in der Praxis einsetzen lassen.

Grundsätzlich sollten Ausspracheschwierigkeiten im Unterricht explizit und fehlerspezifisch angegangen werden. Außerdem bietet es sich an, ebenso wie für andere Bereiche im Fremdsprachenunterricht, Aussprache kognitivistisch zu fördern.

Für Lehrpersonen bedeutet dies, dass sie besondere Kompetenzen besitzen müssen, um auf die Bedarfe ihrer Lernerinnen und Lerner professionell eingehen zu können.

Ausspracheunterricht muss sich dabei an bestimmten Lernschritten orientieren, um effektiv zu sein. Dazu gehören die Bewusstmachung, das gezielte Üben der Lautbildung und die Einbindung in das freie Sprechen.

 Literatur

Da Dänisch ein relativ kleines Fach ist, gibt es kaum sprachspezifische Studien zum Ausspracheunterricht. Für andere Fremdsprachen, etwa für das Englische, ist die Wirksamkeit expliziter Ausspracheförderung aber in zahlreichen wissenschaftlichen Studien empirisch belegt. Ein Blick in die Forschungsliteratur kann sich also lohnen:

  • Studie zu Kurz- und Langzeiteffekten von expliziter Ausspracheförderung:
    Couper, G. 2006. The short and long-term effects of pronunciation instuction. Prospect 21, 46–66.
  • Studie zur Wirksamkeit der form-fokussierten Instruktion und zum korrektiven Feedback:
    Saito, K. & R. Lyster. 2012. Effects of form-focused instruction and corrective feedback on L2 pronunciation development of /ɹ/ by Japanese learners of English. Language Learning 62, 595–633.

 Didaktischer Hintergrund

Drei Grundsätze sind wichtig:

  • Aussprache sollte explizit unterrichtet werden, d. h. genauso systematisch wie Grammatik oder Wortschatz. Dazu sollte die Förderung von Aussprache einen festen Platz in der Unterrichtsplanung und im Unterrichtsverlauf einnehmen – und nicht nur einmal zu Beginn des Dänischerwerbs thematisiert und anschließend nur noch nebenbei in Korrekturphasen oder Nachsprechübungen punktuell behandelt werden.
  • Aussprache sollte fehlerspezifisch unterrichtet werden. Das bedeutet, dass die Auswahl der Aufgaben bei Schwierigkeiten und Fehlerursachen ansetzen sollte. Die zentrale Frage ist also: Warum fällt Lernerinnen und Lernern ein bestimmter Laut schwer? So macht es einen Unterschied, ob Lernerinnen und Lerner den Vokal [ɔ̝̈] (låne) deshalb fehlerhaft als [o] realisieren, weil sie den Unterschied zum deutschen Vokal [o] wie in Dose nicht wahrnehmen (Wahrnehmungsschwierigkeiten), oder ob der Fehler dadurch zustande kommt, dass ihnen die Lautbildung nicht gelingt (Schwierigkeiten bei der Lautbildung). Je nach Fehlerursache muss bei der Fehlerkorrektur unterschiedlich vorgegangen werden. Es nützt nichts, eine Lernerin oder einen Lerner ein Wort noch einmal nachsprechen zu lassen, wenn sie oder er den Lautunterschied nicht wahrnehmen kann – dann wird das Wort lediglich noch einmal fehlerhaft wiederholt. Fehlerspezifische Ausspracheförderung ist damit auch immer lernerspezifisch, weil Ausspracheschwierigkeiten individuell unterschiedliche Ursachen haben können.
  • Aussprache sollte kognitivistisch unterrichet werden. Kognitivistische Methoden beziehen Prozesse der Bewusstmachung und Wahrnehmung, des Wiedererkennens und Zuordnens sowie der Übung und Automatisierung ein. Imitationsübungen haben dabei durchaus auch einen Platz, reine Imitation reicht als Methode aber nicht aus.

Das hängt damit zusammen, dass Fremdsprachen immer vor dem Hintergrund bereits erworbener Sprachen erlernt werden. Dazu gehören sowohl die Muttersprache(n) als auch weitere, schon früher erworbene Zweit- oder Fremdsprachen. Alles hinzukommende sprachliche Wissen wird beim Erwerb mit dem bereits vorhandenem Sprachrepertoire abgeglichen. Die bestehenden Wissenskategorien wirken dabei wie ein Filter, durch den die Lernerinnen und Lerner das neu dazukommende Wissen aufnehmen.

Das kann hilfreich sein: Lernerinnen und Lerner können schon vorhandenes sprachliches Wissen anwenden und müssen nicht alle Sachverhalte neu lernen werden. Die Fremdsprachendidaktik spricht in diesem Fall vom positiven Transfer. Aber der Filter kann auch störend wirken und zu Fehlern führen. In der Fremdsprachendidaktik spricht man dann vom negativen Transfer: Strukturen werden aus zuvor erworbenen Sprachen in die Zielsprache übernommen, obwohl sie nicht zur Zielsprache passen.

Negativer Transfer kann auch im Ausspracheerwerb zu Problemen führen, besonders beim Erlernen neuer Laute. Neue oder ähnliche – aber nicht identische – Laute werden von Lernerinnen und Lerner an bereits bestehenden lautlichen Inventaren abgeglichen und bestehenden lautlichen Wissenskategorien zugeordnet. Wenn diese Zuordnung fehlerhaft ist, ergibt das auch eine fehlerhafte Aussprache.

Im Fremdspracherwerb müssen also zunächst neue Wissenskategorien angelegt werden, um einen zur Zielsprache passenden Stand zu erreichen. Dazu helfen im Unterricht kognitivistische Methoden, also solche, die gezielt mentale Bewusstmachungs- und Verstehensprozesse ansprechen. Erst danach kann die motorische Umsetzung geübt werden. In dieser Phase hat auch der imitatorische Ansatz seine Berechtigung im Unterricht: Aussprache muss auch motorisch geübt werden, damit die Artikulationsorgane die neuen Laute dauerhaft sicher bilden können, und zwar nicht nur in Isolation, sondern auch in authentischen Kommunikationssituationen.

 Lernschritte

Ausspracheerwerb ist komplex und braucht viel Zeit: Es müssen sowohl kognitive Verstehensprozesse initiiert als auch auch physische und motorische Prozesse geübt werden. Neue Bewegungsmuster müssen nicht nur verstanden, sondern auch angewendet und automatisiert werden.

Grundsätzlich müssen die Lernerinnen und Lerner drei unterschiedliche, aufeinander aufbauende Fertigkeiten erwerben: Wahrnehmung, Lautbildung und Anwendung. Diese Lernschritte umfassen sowohl kognitive Bewusstmachungs- und Verstehensprozesse als auch motorisches Training.

Im Unterricht sollten die Lernschritte individuell angesprochen werden und ihrer natürlichen Progression folgen. Allerdings kann die Reihenfolge variieren, in der die Lernschritte in Aufgaben vorkommen. So können sich Lautwahrnehmungs- und Lautbildungsübungen ineinander übergehen oder einander abwechseln.

Die natürliche Progression kann für den Unterricht in folgende Abfolge übertragen werden:

  • bewusste Wahrnehmung,
  • Lautbildung in einfachen Übungskontexten,
  • Anwendung in freier Sprache.

Schrift spielt in diesem Zusammenhang nur dann eine Rolle, wenn sie methodisch sinnvoll als Unterstützung eingesetzt werden kann; das ist oft gerade nicht der Fall.

Bewusst wahrnehmen

Der erste Schritt beim expliziten Unterrichten von Aussprache ist immer die Bewusstmachung von Merkmalen. Zur Bewusstmachung bieten sich Diskriminierungs– oder Identifizierungsaufgaben an. Einen guten Einstieg kann auch der Vergleich von Sprachaufnahmen mit typisch deutscher und authentisch dänischer Aussprache darstellen.

Lautbildung üben

Wenn den Lernerinnen und Lernern ein schwieriger Laut bewusst geworden ist und sie sie sicher wahrnehmen und unterscheiden können, schließen sich Lautbildungsübungen an. Die Übungen sollten so konstruiert sein, dass die neuen Bewegungsabläufe kontrolliert geübt werden können. Dazu sollten die schwierigen Laute in einfachen Übungskontexten auftreten.

Als Aufgabentypen bieten sich sowohl chorische Sprechübungen als auch sprachkontrastierende Minimalpaarübungen zum Nachsprechen an. Visualisierungen und taktile Hilfen können bei der ungewohnten Lautbildung hilfreich sein. Anhand von Lernvideos können die Lernerinnen und Lerner auch selbstständig üben.

Frei sprechen

Schließlich sollen die Lernerinnen und Lerner schwierige Laute auch in Kontexten freier Sprache richtig und automatisch anwenden. Dazu werden die kontrollierten Ausspracheübungen von freieren Sprachproduktionsübungen abgelöst, beispielsweise in Gedichten, Liedern und Zungenbrechern, in Aussprachespielen oder freien Sprechübungen.

 Lehrerkompetenz

Beim expliziten Ausspracheunterricht müssen Lehrpersonen …

  • … sich bewusst machen, dass die Schrift kein verlässlicher Ausgangspunkt zum Unterrichten der dänischen Aussprache ist. Sinnvoller ist es, sich vom schriftbasierten Ansatz zu lösen und lautbasiert vorzugehen. So ist es in den meisten Fällen wenig hilfreich, Regeln für die lautliche Umsetzung der Schrift zu suchen. Anstatt zu fragen, wie ein geschriebenes Wort ausgesprochen wird, sollte zunächst die Lautung geklärt und erst daran anschließend gefragt werden, wie das Wort geschrieben wird.
  • … Fehler ihrer Lernerinnen und Lerner diagnostizieren können. Sie müssen typische Schwierigkeiten Dänischlerner kennen und analysieren können, welche Fehlerursache jeweils zugrunde liegt. So müssen Lehrpersonen beispielsweise wissen, dass das [ɔ̝̈] (låne) für Lernerinnen und Lerner ein schwieriger Laut ist, und sie müssen analysieren können, ob die fehlerhafte Umsetzung als [o] aus Problemen bei der Lautwahrnehmung resultiert oder ob lediglich die Lautbildung noch nicht sicher gelingt.
  • Aufgaben zur expliziten Ausspracheförderung erstellen können, die den Lernschritten beim Ausspracheerwerb folgen und die lernerspezifische Probleme systematisch angehen.