Fehlerursachen und Fehlertypen

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 Das Wichtigste

Aussprachefehler können unterschiedliche Ursachen haben. Es kann beispielsweise sein, dass Lernerinnen und Lerner einen Laut nicht richtig wahrnehmen oder nicht richtig bilden können oder dass sie sich eine falsche Regel gemerkt haben.

Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung oder der Lautbildung hängen wiederum meist mit Unterschieden zwischen Zielsprache und Ausgangssprache oder anderen zuvor gelernten Sprachen zusammen. Besonders schwierig sind Laute, die für die Zielsprache neu gelernt werden müssen (neue Laute), oder solche, die bereits bekannten Lauten ähneln, aber doch nicht ganz gleich sind (ähnliche Laute).

Entsprechend kann man unterschiedliche Fehlertypen unterscheiden.

Für deutschsprachige Dänischlerner ergeben aus typischen Fehlerursachen und -typen entsprechend auch typische Schwierigkeiten und Fehler.

 Fehlerursachen

Generell kann zwischen situativ auftretenden und systematisch verankerten Fehlern unterschieden werden:

  • Situativ auftretende Fehler können durch Faktoren wie Müdigkeit, Motivation, die Lehrpersonen oder das Unterrichtsklima bedingt sein. Sie treten also unabhängig von Eigenschaften der Ziel- oder der Ausgangssprache auf.
  • Systematisch verankerte Fehler hingegen sind nicht zufällig, sondern lassen sich systematisch beschreiben. Das heißt, eine Lernerin oder ein Lerner spricht bestimmte Laute (immer oder in bestimmten Zusammenhängen) immer oder zumindest häufig in einer bestimmten Weise falsch aus.

Einen theoretischer Rahmen, um Ursachen systematisch verankerter Aussprachefehler besser zu verstehen, bietet die kognitive Phonologie. Die kognitive Phonologie betrachtet Aussprache als eine kognitive Fähigkeit, die durch Übung erlernt werden muss. Der Erfolg einer Übung ist dabei davon abhängig, ob die Lernerinnen und Lerner beim Lernen das richtige Konzept des Lerngegenstands erwerben. Konzepte sind im Gehirn abgespeicherte kategoriale Repräsentationen von Inhalten oder Gegenständen. Sie ermöglichen es, die hohe Zahl an Eindrücken und Informationen zu verarbeiten, denen der Mensch zunächst ungefiltert ausgesetzt ist. So ermöglicht das Konzept Stuhl, dass nicht jedesmal aufs Neue erschlossen werden muss, dass eine Platte mit Lehne und vier Beinen als Sitzgelegenheit dienen wird.

Spracherkennung funktioniert nach demselben Prinzip, und zwar nicht nur auf lexikalischer, sondern auch auf phonetischer Ebene. Das menschliche Gehirn verarbeitet lautliche Zusammenhänge und ordnet Gehörtes vorhandenen Konzepten zu. Solche Konzepte können zum Beispiel Laute aus einer Sprache sein, die jemand erworben hat. Wer schon Dänisch kann, wird also zum Beispiel einen Laut, der ähnlich klingt wie [e̝] (dele), auch seinem Konzept von einem [e̝] zuordnen, und einen Vokal in der Nähe von [e̞] (læser) seinem Konzept von einem [e̞].

Entsprechend treten Probleme auf, wenn diese beiden Konzepte noch nicht kognitiv angelegt sind. Lernerinnen und Lerner ordnen dann zum Beispiel beide Laute – also [e̝] (dele) und [e̞] (læser) – nur einem und demselben Konzept zu und können den Unterschied zwischen ihnen nicht verarbeiten.

Zu Aussprachefehlern können also sowohl neue Laute führen, die in der Ausgangssprache nicht vorkommen, als auch ähnliche Laute, die einem ausgangssprachlichen Laut ähneln, aber doch nicht gleich sind.

 Literatur

Helen Fraser bezieht die Konzepttheorie auf den Ausspracheerwerb. Ein Blick in ihre Ausführungen lohnt sich.

  • Fraser, Helen. 2006. Helping teachers help students with pronunciation: a cognitive approach. Prospect 21.

Die Begrifflichkeiten neuer und ähnlicher Laute wurden von James Emil Flege geprägt.

  • Flege, James E. 1995. Second-language speech learning. Theory, findings, and problems. In Winifred Strange (Hg.), Speech Perception and Linguistic Experience, 233–277. York Press: Baltimore.
  • Flege, James E., Alaine M. Frieda & Takeshi Nozawa. 1997. Amount of native-language (L1) use affects the pronunciation of an L2. Journal of Phonetics 25, 169–186.
  • Flege, James E. 1987. The production of ‘new‘ and ‘similar‘ phones in a foreign language: evidence for the effect of equivalence classification. Journal of Phonetics 15, 47–65.
 Fehlertypen

Aussprachefehler können unterschiedliche Ursachen haben. Beispielsweise können sie daraus resultieren, dass ein Laut nicht richtig wahrgenommen wird oder dass die Lautbildung noch nicht gelingt. Es ist auch möglich, dass eine Lernerin oder ein Lerner ein falsches Konzept oder eine falsche Regel zur Lautbildung abspeichert. Diese Ursachen äußern sich unterschiedlich als Fehler: Ein Ziellaut wird durch einen ausgangssprachlichen Laut ersetzt, die Lautbildung des schwierigen Ziellauts wird in der Aussprache vermieden, oder der Laut ist schon fast richtig zu hören, erreicht aber noch nicht ganz die zielsprachliche Qualität.

Konkret lassen sich Aussprachefehler Fehlertypen zuordnen:

  • Von Interferenzen spricht man, wenn ein Laut in der Zielsprache durch einen Laut aus der Ausgangssprache ersetzt wird, weil noch kein eigenes Konzept für den Ziellaut vorliegt, z. B. bei der Aussprache von [ɔ̝̈] wie in låne mit deutschem o, also låne. Bei Interferenzfehlern bietet es sich an, Minimalpaar- und Identifikationsübungen einzusetzen.
  • Fehler durch lexikalische Ähnlichkeit entstehen, wenn ein Wort in der Zielsprache einem Wort in einer zuvor erworbenen Sprache stark ähnelt und dies dazu führt, dass auch ein Laut aus dieser Sprache übernommen wird – und zwar obwohl die Wahrnehmung und Bildung des korrekten Lautes in anderen Wörtern unproblematisch ist. Ein Beispiel ist die Aussprache von næse mit einem stimmhaften s wie im Deutschen, also als næse.
  • Schriftbasierte Fehler gehen darauf zurück, dass die Schrift als Grundlage für die Aussprache gewählt wird, wobei die Buchstaben-Laut-Zuordnung zu falschen Ergebnissen führt. Das kann bei der Anwendung von zielsprachlichen Leseregeln – wie bei der Aussprache von [ɑ̈] (prale) in rem als [e̞] (læser), also rem – ebenso geschehen wie bei der Übertragung von Leseregeln aus anderen Sprachen, z. B. bei der Aussprache von [s] wie in suppe mit deutschem stimmhaften [z], also Suppe. Bei schriftbasierten Fehlern bietet es sich an, den Fehler bewusst zu machen, indem die richtige Lautung anhand von Huskeord kritisch mit dem Schriftbild abgeglichen wird. Anschließend kann mit Selbstaufnahmen mit anschließendem kritischem Abgleich an zielsprachlichen Aufnahmen gearbeitet werden.
  • Von Annäherungserscheinungen spricht man, wenn der Ziellaut fast richtig gebildet wird, aber noch nicht ganz, z. B. bei der fehlerhaften Aussprache von weichem d [ð̞] (mad) wie in redde mit l, also redde. Um die Lautbildung zu verbessern, bieten sich der Einsatz chorischen Sprechens und der Shadowing-Technik und der Einsatz unterstützender visueller und taktiler Hilfen an. Mit Lernvideos können Lernerinnen und Lerner auch eigenständig üben.
  • Von Vermeidung spricht man, wenn Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung oder der Bildung eines Lautes dazu führen, dass der Ziellaut gar nicht gesprochen wird, z. B. in liv statt liv . In der fehlerhaften Äußerung wird der schwierige Diphthong ausgelassen und stattdessen nur ein [i] (vise) gesprochen. Auch bei diesem Fehlertyp bietet es sich an, die Lautbildung durch chorisches Sprechen und Shadowing-Technik oder mit Lernvideos zu üben. Auch Aussprachespiele, Gedichte, Lieder und Zungenbrecher oder freie Sprechübungen bieten sich an.
  • Von Regelfehlern spricht man, wenn eine Lernerin oder ein Lerner ein falsches Konzept zu einem Ziellaut in einem Kontext verinnerlicht hat. Das kann daher kommen, dass eine zuvor gelernte Lautregel auf weitere – hier aber falsche – Kontexte übertragen wird (Hyperkorrektion) oder dass eine falsche Regel unterrichtet wurde, z. B. wenn Lernerinnen und Lerner gelernt haben, den Buchstaben a wie ä auszusprechen und folglich fehlerhaft kaffe statt kaffe realisieren. Es bietet sich unbedingt an, bewusstmachende Übungen einzusetzen, bevor die Lautbildung oder das freie Sprechen geübt wird.

Eine Fehlerdiagnose kann dabei helfen, den Fehlertyp zu bestimmen.